Zugehörigkeit, was bedeutet das?
Definiere mal Zugehörigkeit für dich.
Heißt das, es reicht dir, dass du, sofern du dich als Mensch definierst, zugehörig zu sein zur Menschheit und du fühlst dich geborgen?
Reicht es dir, Bürger einer Stadt zu sein? Zu einer sozialen Gruppe?
Nein? Herzlich willkommen.
Es gibt Lebensthemen, die uns triggern und uns betreffen und in uns eine Seite zum klingen bringen, die entweder Licht oder Schatten schafft.
Zugehörigkeit ist mein Thema. Meine ewige Baustelle und wahrscheinlich der Grund dafür, dass ich so etwas wie Yogalehrerin geworden bin.
Ich bin Zeit meines Lebens eine Außenseiterin gewesen. Ein Einzelkind zweier hochbelesener, Theateranrecht nutzender Akademiker, lesend mit drei, schreibend mit vier, Goethes Faust rezitierend mit sechs, Mittagsschlaf verweigernd, Selbstgespräche führend, im Traumzauberland lebende Besitzerin von mehr als zwanzig Plüschtieren und nicht einer einzigen Puppe, verbunden mit Feenwesen, Bäumen und mit den Tieren der Erde, vor allem mit denen, die sonst niemand mag, wie Spinnen, Wespen oder alten, dreibeinigen und einäugigen Katzen.
An so etwas wie Kindergeburtstage, eigene oder bei anderen, kann ich mich nicht erinnern, oh doch, an einen, aber der war ein Fiasko.
Immer das Gefühl habend, nicht hierher zu gehören, vertauscht worden zu sein, zu warten auf den Moment, wenn das alles Sinn macht.
Der Kindergarten war schon komisch, aber zu sagen, meine Schulzeit war die Hölle, wäre zu einfach.
Ich war wahrscheinlich glücklich, solange ich in meiner kleinen, überschaubaren Quartierschule war, erste und zweite Klasse, von zu Hause über die Straße, Kinder aus der Gegend, nach der Schule spielen, aber der Wurm war schon vorher drin.
Danach kam, die damals logische Konsequenz für meine Eltern, die in der DDR erstrebenswerte Russisch-Sonderschule, aber irgendwie wäre ich lieber auf die richtige Sonderschule gegangen, umgangssprachlich sehr wenig liebevoll Hammercollege genannt.
Ab dann war ich, wenn nicht schon vorher komisch, komplett am Rand.
Ausgegrenzt, gemieden und komplett isoliert, immerhin habe ich keine Dresche bezogen, aber heute wünsche ich mir, ich hätte mal gelernt, zu prügeln, damit irgendwas passiert, ich nicht in der Pause am Rand stehe, gemieden werde, niemand mit mir spricht, jahrelang nicht.
Ein Klassenwechsel hat, wenig überraschend, gar nichts gebracht.
Also war die vierte bis zehnte Klasse ein einziger Spießrutenlauf, jeder Abend geprägt von Flucht und Ausweichen, jeder Morgen von Übelkeit und Tränen.
Mobbing im Klassenverband ist heute mehr Thema als früher, aber immer noch nicht wirklich gelöst. Die Schuld wird, früher wie heute, gerne dem Mobbingopfer gegeben, damit ist dann die Sache erledigt.
Dass ich gut in der Schule war, hat mir auch bei den Lehrern nichts gebracht, die mich genauso ausgeschlossen haben.
Es gab eine einzige Lehrerin, die es wirklich gut gemeint hat, die hat aber nach zwei Jahren auch heulend das Handtuch geworfen.
Ich war in meinem Leben noch bei keinem einzigen Klassentreffen, wurde auch noch nie dazu eingeladen und würde auch im Leben nicht hingehen. Das Konzept Freundinnen haben habe ich jahrzehntelang nicht verstanden.
Ich kann jeden verstehen, der alle Brücken hinter sich abbricht und ins Nirgendwo zieht. Ich kann sogar verstehen, wie sich Hass auf die Gesellschaft und die Menschen an sich aufbaut und irgendwann Bahn bricht.
Cottbus hat für mich bis heute einen schrecklichen Beigeschmack, ich mag nie wieder dorthin zurück.
Wenn du Kind bist und ganz alleine bist, aber trotzdem irgendwie überleben musst, eignest du dir ein paar ziemlich nützliche Mechanismen an.
Tagträumen/Dissoziation ist einer davon, ein anderer ist, Menschen zu beobachten und einschätzen zu lernen. Alleine sein zu können. Sich mit Tieren verständigen, das Spirituelle suchen und finden.
Fremdsprachen nutzen, denn die geben dir das Gefühl, jemand anders zu sein.
Was ich damit sagen möchte, ist, dass das Thema, wenn es nicht gelöst wird, denn wir leben in einer Welt voller Menschen und eine einsame Insel ist immer nur kurz einsam, uns immer begleiten wird.
Zugehörigkeit zu Gruppen, Gemeinschaften, Familien zieht sich durch dein Leben, und auch die Auseinandersetzung damit.
Das Gute daran ist, dass dieses ganze Trauma dich auch in die Heilung führen kann, in die Auseinandersetzung mit dir selbst, mit der Gesellschaft und letztendlich auch in eine Gemeinschaft von Gleichgesinnten (wenn auch mit Zwischenstationen bei Drogen, Randgruppen und Tageskliniken).
Was ich jetzt erst begreife ist, dass dieses für mich ungelöste Thema auch meine Arbeit als Yogalehrerin stark beeinflusst. Dass das der Grund für meine depressiven Phasen war und ist. Das Gefühl, alles zu versuchen, dazu zu gehören und damit zu scheitern, kämpfen zu müssen für einen Platz in der fucking peer group.
Denn alles, was mir widerfährt, hat direkten Bezug zu mir, zu meiner Vergangenheit und dazu, wie ich mit bestimmten Dingen umgehe.
Konkret heißt das gerade für mich, dass ich versucht habe, Dinge auf die Beine zu stellen, die gescheitert sind. Yogakurse, Projekte, die Selbständigkeit.
Und dass ich das direkt auf mich beziehe, dass mich wieder bestätigt, nicht dazu zu gehören, denn sonst hätte es ja geklappt, oder nicht?
Natürlich weiß ich, dass das eine Falle ist. Aber die Erkenntnis dessen, dass hier etwas lauert, was mich von anderen trennt, ist sehr hilfreich.
Wenn ich Yogakurse leite, bei denen sich Menschen anmelden, die sich dann nicht mehr melden, absagen, selten kommen, das genau triggert mein Gefühl der Zugehörigkeit.
Ich wünsche mir volle Kurse, bin aber oft enttäuscht, weil so wenige kommen.
Wäre das nicht mein Problem, wäre ich in der Lage, viel gelassener damit umzugehen.
Was wiederum verhindert, dass es uns Fließen kommen kann.
Das Interessante daran ist das Bewusstsein dafür, für die eigenen Schwächen und Hindernisse, für den stürmischen Weg in die Authentizität, für die Wahrhaftigkeit.
Ich höre immer wieder, wie mutig es von mir ist, mich hier so zu offenbaren, aber für mich ist es wichtig, das zu tun, es zu teilen, weil ich inzwischen weiß, dass es nicht nur mir so geht, dass ich anderen aus der Seele spreche, dass ich eine Plattform schaffe für Austausch und auch für Gemeinschaft.
Das ist nicht wirklich mutig, meistens wenig diplomatisch und ziemlich polarisierend, aber lebensnotwendig für mich.
Zugehörigkeit hier, jetzt, in diesem Moment, ist für mich klar.
Ich bin eine Frau und damit Teil der Frauengemeinschaft, die heilend und energetisierend, sinnlich und nährend ist. Ich fühle die Verbindung zu immer mehr Frauen in meinem Umfeld auf eine Art, wie ich das nie für möglich gehalten habe und ich danke jeder Einzelnen davon dafür von Herzen und empfinde wirkliche Liebe für Euch.
Ich bin Teil der spirituellen Gemeinschaft.
Ich bin die eine Hälfte einer Ehe und so sehr dankbar dafür, genau diesen Menschen an meiner Seite zu haben, mein Gegenstück.
Ich bin Teil einer kleinen Yogalehrer Familie, die mich trägt und unterstützt und mich so nimmt, wie ich bin und die meinen Prozess begleitet und ich begleite den jedes einzelnen Mitgliedes.
Ich bin Teil der Natur, meine Schwester ist die Wespe und mein Bruder ist mein Kater und meine Gefährten sind die Delfine, mit denen ich geschwommen bin.
Der Wind ist bei mir und das Wasser und das Feuer. Die Erde trägt mich.
Nach all den Jahren fühle ich mich zugehörig.