Mittwoch, 02 Februar 2022 08:13

Mauern Featured

Ich war letzte Woche...

...in Bayern auf einem Yoga Retreat, von dem ich dachte, ich mache das mal so nebenbei und erhole mich ein bisschen. Das war der Plan, wenn man bei jemandem wie mir, die oft ganz schön planlos ist, davon sprechen kann.

Der Januar ist für mich erfahrungsgemäß immer die schlimmste Zeit des Jahres, weil meine Erkrankung (Depression, das böse Wort) dann nicht mehr zu leugnen ist und ich Mühe habe, die guten Dinge im Leben zu sehen. Die Stimmungsschwankungen sind dann, so nach Neujahr, immer keine Schwankungen mehr, sondern pendeln sich auf dem Tiefpunkt ein, um dort tapfer auszuharren, bis die ersten Frühlingsboten zaghaft anklopfen. Ich bin also noch mindestens ein, zwei Monate davon entfernt, wieder Mut zu fassen, wenn man es nüchtern betrachtet, und nüchtern bin ich, selbst gewählt, ja ununterbrochen.

Der Winterschlaf ist definitiv eine Option, wobei das mit dem Aufwachen dann vielleicht nicht klappt, das wäre dann doch blöd.
Ok, ich war also letzte Woche in Bayern, in Unterfranken, auf einem Schloss, zu Gast bei einer liebenswerten Gruppe von Menschen, die das in einer Lebensgemeinschaft als Seminarort betreiben, mit einer Yogalehrerin/Coachin (der zauberhaften Annette vom Yoga Studio Einfach Sein bei Erfurt) und einer Gruppe von acht wunderbaren Frauen und einem wunderbaren Mann.

 

„Heimat, eine Reise zu dir selbst“,

das war der Stern, unter dem diese Woche stand. Ich bin dort völlig ohne Erwartungen hingefahren und habe mich gefreut auf gemeinsamen Austausch mit neuen Gesichtern, auf gutes Essen, schlafen im Schloss und vielleicht ein bisschen Yoga im Tuch und ohne Stress. Und ich habe gedacht ich bin schon so angekommen bei mir selbst, weil ich ja auch Yoga Lehrer bin, dass das ein reiner Spaziergang für mich sein kann.
Was dann aber in dieser Woche mit mir passiert ist, war schrecklich und schön zugleich. Widerstand oder so viel inneren Widerstand habe ich lange nicht mehr gespürt und die reine Arbeit an dieser Woche beginnt jetzt, wo ich wieder zu Hause bin.
Ich habe gemerkt, ich bin unglaublich in meinem Ego verhaftet und viel zu sehr in der Vergangenheit, ich bin an meine Grenzen gegangen und sogar darüber hinaus und habe einige Erfahrungen gemacht, die ich zwar nicht missen möchte, aber von denen ich dort dachte, das ich gut darauf verzichten kann für jetzt und später (for ever ever).

Angefangen bei der Morgenpraxis, die mich einige Tage Trial and Error gekostet hat, bis sie akzeptiert war, über die Seminar Sessions, die locker und positiv begonnen haben und gaaaaanz schnell ans Eingemachte gegangen sind und die ich jetzt, im Nachhinein, oft wie so ein bockiges Kind hinter mich gebracht habe.
Die arme Annette hat meinen Widerstand erkannt, konnte aber zwischendurch oft nicht zu mir durchdringen und ich weiß, sie war ab und an hilflos damit.
Ich umarme Dich, liebe Annette und ich sehe Dich und ich weiß, Du hast mich auch die ganze Zeit gesehen und es tut mir leid, dass Du mich so erlebt hast, wenig in mir ruhend und verletzt und traurig. Und gleichzeitig bin ich so dankbar, dass Du mich so gesehen hast. Ich habe durch meine Vergangenheit, die für einen Teil meiner Erkrankung verantwortlich ist, einige Schäden, Risse in der Hülle und im Herzen davongetragen, aber gleichsam Mauern um mich herum errichtet, um zu überleben. Dieser Überlebensmechanismus ist unterbewusst und rein auf das Überleben ausgerichtet, nicht auf das Leben und schon gar nicht auf das gute Leben.

Loslassen kommt darin nicht oder kaum vor, Vergebung auch nicht. Das zu erkennen, ist sehr schmerzhaft. Diese Woche hat mich dorthin geführt, wo es weh tut und mir Wege gezeigt, da wieder hinaus zu finden.
Naja, ich bin ich, aber auch Yoga Lehrerin, und eine, die nicht erleuchtet ist oder alles weiß, eine mit Knacks und mit einem ziemlichen Schatten. Diese beiden Anteile müssen gar nicht harmonieren, es ist der Weg, und vor allem der gemeinsame Weg mit Lehrern, Schülern, Freunden, Mitstreitern, der diese beiden Anteile und weitere, zusammenfügt.
Ich habe erkannt, dass es einer meiner Ansprüche an mich selbst ist, vieles oder alles wissen zu müssen, und dass ich immer daran scheitern werde.

Ich weiß nichts.

Ich weiß nicht, was es bedeutet, und das ist gut so.

„Ich habe keine Ahnung.“, was für ein schöner Satz. Und so heilsam.

 

Meine Woche also war voller Widersprüche, ich habe in einem Schloss gewohnt, erlesene (vegetarische und vollwertige, frische und liebevoll zubereitete) Speisen gegessen, habe jeden Tag locker drei Stunden Yoga gemacht, auf der Matte und im Tuch (was viiiiel anstrengender ist, als ich mir vorgestellt habe!), war draußen in der Natur, habe Katzen und Hunde (gefühlt stundenlang) gestreichelt, Pfauen bei ihrer Kommunikation und beim Radschlagen beobachtet, gute Gespräche geführt, war in der Sauna, habe eine herrliche Fussmassage bekommen und neue, liebe Menschen in mein Leben gelassen.
Das Außen war soweit pure Erholung. Das Innen hingegen ist aufgebrochen und hat einen Berg voll Hausaufgaben bekommen, vor denen ich jetzt sitze und grüble. Die eigentliche Arbeit fängt jetzt an, das, was ich dort gelernt habe, zu nehmen und zu nutzen. Unglaublich, was jetzt, ein paar Tage nach meiner Rückkehr, in mir passiert. Ich habe dort gelacht und geweint und ganz intensive Momente des Einsseins erlebt. Aber auch das krasse Gefühl des getrennt Seins, inmitten von gleichen Seelen. Das setzt einiges in Gang und ich bin so, so dankbar dafür.

Und außerdem, das muss ich auf jeden Fall noch feiern, habe ich die Klangschalen meines Lebens gefunden oder sie haben mich gefunden. Handwerkskunst, selbst hergestellt, geschweißt und auf Frequenz gestimmt von einem wahren Meister seines Fachs. Sie sind beide so groß und so schwer, dass ich sie kaum tragen kann und klingen wie Kirchenglocken, raumgreifend und tragend und berührend.

 

Mein Yogastudio ist jetzt ein Stückchen sinnlicher damit.

Klang ist Heilung und die Frequenzen einer Klangschale durchdringen nicht nur unser Ohr, sondern die Zellen unseres Körpers, die ja zu zig Prozent aus Wasser bestehen. Sie durchdringen uns und lösen Blockaden, sie geben Kraft und wirken beruhigend. In der Yoga Entspannung eingesetzt, aktivieren sie das Gefühl des Nach-Hause-Kommens zu sich selbst.

Das Thema der Woche, Heimat, eine Reise zu dir selbst, und die Tatsache, dass die Klangschalen zu mir gekommen sind und dieses Heimatgefühl auslösen und ich das weitergeben kann in meinen Stunden, das ist doch eine schöne Verbindung.

Nichts geschieht ohne Grund, auch wenn es etwas planlos entsteht ;)

 

Wir alle haben unsere Mauern um uns herum, das ist zum Teil wichtig und tröstlich, wir alle glauben, schon alles (oder vieles) zu wissen und wir alle haben Risse im Herzen. Das zu erkennen und zu begreifen, dass wir nur in Verbindung miteinander gehen können, weil wir die Risse haben und wenn wir die Mauern ein Stück einreißen. Das alles wissen sehr einsam macht und nichts wissen sehr neugierig. Dass wir als Menschen mit unseren Schäden und Brüchen und Geschichten alle miteinander verbunden sind, und gerade diese Schäden, Brüche und Geschichten uns zueinander bringen und in Resonanz gehen und wir genau dann diese tröstliche Verbindung zueinander spüren, ich finde das wunderschön. Das lässt mich sogar den Winterschlaf wieder abwählen :)

PS. ich habe einen Tipp für einen umwerfenden Film von der sehr begabten Maria Schrader, „Ich bin Dein Mensch“. Gucken! Abwarten und verarbeiten, danach nochmal gucken. Dann nochmal nachdenken. Und ein drittes Mal gucken.

Das Ende ist schön, das verrate ich mal.

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